Martin: Leseschwäche als Erwachsener – er will mehr als Schrauben sortieren
Er hat ein neues Leben.
Die Angst, etwas falsch zu machen, kennt Martin schon im Kindesalter. Seine leiblichen Eltern sind alkoholkrank. Er kommt zu Adoptiv-Eltern. In der Schule lernt er nur langsam. Sein Adoptiv-Vater nennt ihn dumm und faul. Seine Mutter schleppt ihn von Test zu Test. Aber eine richtige Hilfe bietet ihm niemand. Die Förderschule beendet Martin ohne Abschluss. Danach weiß er nicht, was er machen soll. Mit einem Schulfreund füllt er den Antrag auf Arbeitslosengeld aus. Später geht er zu einer Leiharbeitsfirma. Dort sortiert er Schrauben. Das reicht ihm nicht.
Nur wenigen Menschen erzählt er, dass er nicht richtig lesen und schreiben kann. Darunter ist aber eine Freundin, die das ALFA-Telefon kennt. Sie schreibt ihm die Nummer auf und sagt: „Du rufst da an. Jetzt.“ Der nette Mann am Telefon erzählt ihm, dass an der Volkshochschule auch Erwachsene lesen und schreiben lernen können.
An der Volkshochschule lernt Martin lesen und schreiben
Eigentlich hat Martin keine Lust. Aber er will ein anderes Leben. An der Volkshochschule trifft er Astrid. Sie ist die erste Lehrerin, der er vertraut. Astrid ist immer freundlich. Astrid bleibt immer ruhig und geduldig. Sie sagt zu ihm: „Schau dich in Ruhe um.“ Sechs Jahre lang lernt Martin lesen und schreiben – abends nach der Arbeit.
Außerdem versteht er, dass es vielen Menschen so geht wie ihm. Auf einmal ist er nicht mehr der Schlechteste von allen. Das macht ihm Mut. Er fängt an, gesünder zu leben. Er lernt eine Frau kennen. Sie findet es überhaupt nicht schlimm, dass ihm das Lesen und Schreiben schwerer fällt als ihr. Bald heiraten die beiden. Das ist ein viel besseres Leben, findet Martin. Er sagt: „Es hat sich gelohnt, mit dem Lernen doch noch einmal anzufangen.“